
Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch
„Selige Stunde“
Sony Classical
Selige Stunde.
Manches Schlechte bringt auch etwas Gutes mit sich. Jonas Kaufmann nutzte die die Corona-bedingte Zwangspause, um endlich zu tun, was bei ihm in den letzten Jahren immer etwas zu kurz gekommen war: Lieder aufzunehmen. In der Zeit von April bis Juni beschäftigten sich Jonas Kaufmann und sein langjähriger Partner am Klavier Mit Helmut Deutsch mit einer Vielzahl von Liedern, die beiden sehr am Herzen liegen.
Fast schon 30 Jahre arbeiten Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch zusammen. Erstmals begegneten sich die beiden im Jahr 1991. Da war Kaufmann noch Student an der Musikhochschule in München, und Deutsch hatte dort eine Professur für Liedgestaltung. „Er war es, der mir für den Liedgesang überhaupt erst die Augen und Ohren geöffnet hat“, sagt Kaufmann. Aus dem Lehrer-Schüler-Verhältnis wurde mit den Jahren eine Partnerschaft, die in ihrer Konstanz und künstlerischen Entwicklung ein Glücksfall ist.
Als die Auswahl der Lieder stand, standen beide vor einem ganz anderen Problem: So war wenige Stunden vor den ersten Proben noch nicht sicher, ob die Aufnahmen überhaupt stattfinden konnten: Helmut Deutsch wohnt in Wien, würde man ihn über die Grenze lassen? Erst nach einem Anruf der Grenzschützer bei Sony Classical durfte der Pianist die Grenze passieren. „Ins ursprünglich geplante Studio konnten wir nicht, weil es nach staatlicher Verordnung schließen musste“, erzählt sich Jonas Kaufmann, „also konnte das Ganze nur in privatem Rahmen stattfinden, was sich letztlich aber als Vorteil herausstellte, denn in dieser Situation entstand noch mal was anderes als im Studio. Man ist näher am Zeitgeist dieser Stücke, die ja größtenteils in einem intimeren Rahmen gegeben wurden, nämlich in den privat geführten Zirkeln, den so genannten Salons.“
Nun liegt es also vor, das Album „Selige Stunde“, mit populären Titeln wie Ännchen von Tharau, Sehnsucht nach dem Frühling, Adelaide, Auf Flügeln des Gesanges, Die Forelle, Mondnacht, Widmung, Nur wer die Sehnsucht kennt oder In mir klingt ein Lied . Außerdem enthält es einige Wiederentdeckungen, wie z. B. Zemlinskys Selige Stunde, das letztlich auch den Albumtitel hergab, oder Still wie die Nacht von Carl Bohm (1844-1920) - Helmut Deutsch fand es in einem alten Lied-Album, wie es sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen musikalischen Haushalten gab.
So, wie es auf dem Album „Selige Stunde“ um Liebe und Sehnsucht geht, finden auch Themen wie Abschied, Rückzug ins Innere und Stille ihren Ausdruck. Wandrers Nachtlied II von Franz Schubert, Da unten im Tale von Johannes Brahms oder Gustav Mahlers Ich bin der Welt abhanden gekommen aus der Sammlung der „Fünf Rückert-Lieder“ – alles kleine Seelenspiegel über die Empfindsamkeiten ihrer Komponisten – Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch zeigen sie uns auf: sensibel und ausrucksstark.
SCL/tzm