
1 CD
dhm
Ein musikalisches Hochzeitsbankett
Wie gut, da Massimo Troiano sich vor 450 Jahren die Mühe gemacht, aufzuschreiben, was er in München erlebt hat und das, obwohl der Mann kein Journalist, sondern Komponist war. Über sein früheres Leben weiß man herzlich wenig, außer, dass er aus dem Süden Italiens stammt, vermutlich aus Corduba. Nur was er in den Jahren zwischen 1567 und 1570 machte ist hinlänglich bekannt und somit auch maßgeblich für das Entstehen dieses Albums. Nachdem er 1567 in Treviso eine Sammlung weltlicher Lieder zu eigenen Texten veröffentlicht hatte, ging er nach München um in den Dienst des Hauses Wittelsbach zu treten. Und hier haben wir die direkte Verbindung zum aktuellen Album von Roland Wilson und seiner Musica Fiata: als Sänger der bayerischen Hofkapellen nämlich, der kein geringerer als sein Landsmann Orlando di Lasso vorstand, erlebte er die Hochzeit von Wilhelm V. von Bayern mit Renata von Lothringen, die am 22. Februar 1568 am Hofe Albrechts V. von Bayern in München gefeiert wurde. Das Fest war ungewöhnlich oppulent und zog sich über mehr als zwei Wochen hin.
Hochzeiten derartigen Ausmaßes und solchen Gepräges waren seinerzeit kein Einzelfall. Vergleichbar etwa ist die Hochzeit von Ferdinando de' Medici mit Prinzessin Christina von Lothringen 1589. Auch hier gab es ein großes Fest in der Villa Medici in Poggio a Caiano, zu dessen Ausstattung Italiens bedeutendste Komponisten beitrugen, wie etwa Emilio di Cavalieri, Cristofano Malvezzi oder Giulio Caccini.
Der repräsentative Charakter der Hochzeit von München allerdings sucht seinesgleichen. Er war nicht nur an der Dauer und der exklusiven Gästeliste ersichtlich - der bayerische Hochadel und Gesandte aus ganz Europa waren geladen. Das Besondere dieser Hochzeit war ihre künstlerische, genauer: ihre musikalische Ausgestaltung, die, und hier sind wir bei Massimo Troiano, von ihm detailliert beschrieben wurde und dessen Programm auf diese Weise für den Dirigenten Roland Wilson reproduzierbar wurde. Orlando di Lasso stand mit der Hofkapelle Albrechts V. ein für damalige Verhältnisse großer Orchesterapparat zur Verfügung, der ihm entsprechende Voraussetzungen für seine Kompositionen bot. Der Musikwissenschaftler Bernhard Rainer beziffert ihn auf rund 70 Personen, darunter 40 erwachsene Sänger und 12 Sängerknaben, Bläser, Streicher, Organisten.
Vor diesem Hintergrund komponierte Orlando Di Lasso extra für diesen Anlass mehrere Messen und Motetten. Zur musikalischen Ausgestaltung der insgesamt 18 Tage andauernden Hochzeitsfeierlichkeiten nahm di Lasso aber auch Stücke anderer Komponisten wie Andrea Gabrieli oder Alessandro Striggio ins Programm. Annibale Padovano, dessen 24-stimmige Messe di Lasso für den letzten Tag vorgesehen hatte, reiste zu deren Aufführung mit extra seiner Grazer Hofkapelle nach München! Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand das musikalische Bankett am Tag der Trauungszeremonie selbst, dessen einzelne Gänge musikalisch untermalt wurden. Begann das Bankett mit einer Battaglia von Padovano, so wechselten während der einzelnen Gänge Komponisten und Besetzungen. Das Festmahl endete mit Motetten von Orlando di Lasso.
Dessen Ruhm als König der Polyphonie erfuhr mit dieser Hochzeit noch eine Erweiterung, lernt man ihn doch zusätzlich als außergewöhnlich guten Musikdramaturgen kennen. Für den Abschluß der Feierlichkeiten mit einem nochmals großen Bankett jedenfalls wählte di Lasso die 40stimmige Mottete „Ecce beatam lucem“ seines Komponistenkollegen Alessandro Striggio aus, die auch den Abschluss dieser CD bildet.
tzm