Sophie Pacini „Rimembranza“

Sophie Pacini 

„Rimembranza“

Avenir Records/ Harmonia mundi

„Rimebranza“ bedeutet Erinnerung.

Erinnerung an was, an wen? An einen Ort, einen Klang? Für die Pianistin Sophie Pacini ist Musik ohne Erinnerung nicht möglich. Eine Haltung, ein Programm – folgerichtig gab sie ihrem neuen Album diesen Titel: „Rimembranza“,  Erinnerung“. Es hätte so einfach sein können: Sophie Pacini ist eine gefeierte Pianistin, vielfach ausgezeichnet, vielfach eingeladen zu Konzerten mit den großen Orchestern dieser Welt. Vielfach unterwegs, nicht nur als Pianistin, sondern auch als Radiomoderatorin, Bloggerin, „Beethoven-Repräsentantin 2020 des Bayerischen Rundfunks und des Goethe-Instituts“. Es gäbe so vieles, das zu erinnern wäre

Ein Blick auf das Tracklisting ihres neuen Albums hingegen zeigt, dass sie es sich damit eben nicht leicht gemacht hat. Da ist zum Beispiel die im Februar 1823 komponierte Sonate in a-Moll, D784 von Franz Schubert, die als die tragischste seines Sonatenwerks gilt. Ihr düsterer Charakter liegt zweifellos in der Erkrankung Schuberts begründet, die in den ersten Januartagen 1823 diagnostiziert wurde und die ihn nie wieder verlassen sollte. Ein Jahr später, am 27. März 1824 schreibt Schubert in sein Tagebuch: „Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden; jene, welcher der Schmerz allein erzeugt hat, scheinen am wenigsten die Welt zu erfreuen...“ Gleichwohl hatte sich Schubert diesem Schicksalsschlag nicht ergeben, sondern arbeitete umso heftiger an seinen Kompositionen. Er beendete seine Oper „Alfons und Estrella“, schuf mehrere Lieder, darunter das berühmte „Auf dem Wasser zu singen“ und eben jene Sonate in a-Moll, die alles an Gefühlen widerspiegelt, die Schubert beherrscht haben dürften: von der wehmütigen, melancholischen Stimmung, über Ausbrüche einer verzweifelten Kraftanstrengung zur Überwindung seiner seelischen Notlage bis hin zu einer süßen Sehnsucht nach dem Glück früherer schöner Tage im Kreise seiner Freunde. Veröffentlicht wurde sie erst 1839, 11 Jahre seinem frühen Tod. 

Eine Betrachtung der vier Impromptus op. 90 (D 899), die Schubert im Sommer 1827, ein Jahr vor seinem Tod komponierte, legt den Vergleich mit einer viersätzigen Sonate nahe. Sophie Pacini wählte das zweite und dritte  aus, ein tänzerisches Scherzo und ein Andante, das wie ein Schubert'sches Lied klingt – für sie „zwei süßherbe Rimembranzen aus der Vergangenheit, die das Gedächtnis streifen“

Im Herbst 1777 brach der 21jährige Mozart mit seiner Mutter - der Vater konnte ihn nicht begleiten - zu einer Bewerbungs-Tour nach Paris auf. Eine verhängnisvolle Reise, die im Desaster endete. Die Mutter erkrankte und starb am 3. Juli 1778 in der ihr so fremd gebliebenen Stadt. Ihren Tod dem Vater mitteilen zu müssen, stürzte Mozart in ein fürchterliches Tief. Er konnte es zunächst nicht und schrieb stattdessen an einen Freund....

Gleichwohl entstanden in jenem Sommer 1778 mehrere Kompositionen für Klavier, darunter die 12 Variationen „Ah, vous dirai-je Maman“ und die Sonate a-Moll K. 310. Schon als 14jährige habe sie der Anfang dieser Sonate tief getroffen, sagt Sophie Pacini. Aber erst später lernte sie, wie es sich anfühlt, wenn Verlust, Schmerz, Verzweiflung  und Angst sich in Musik verbinden.

 „Können wir denn wirklich Freude empfinden, wenn wir die Trauer nicht kennen?“ fragt Pacini. Die von ihr ausgewählten Werke für dieses Album zeigen keine Resignation.  Resignation wäre gewesen, nicht darüber zu schreiben, sagt die Pianistin. Auch wenn mitunter etwas Dämonisches am Schluss steht – beide Sonaten enden doch sehr kraftvoll, mit dem Blick nach vorn. Und  so sind sie am Ende für alle eine Erfüllung. Und das, sagt Sophie Pacini, ist auch die Botschaft des Albums.

 

tzm