
Das Musikjahr 1923 ist ein Kosmos von beeindruckender Vielschichtigkeit. In Wien vollendet Arnold Schönberg seine ersten Zwölftonwerke, im kosmopolitischen Paris feiert man den musikalischen Neoklassizismus, in ganz Europa begeistern sich Komponisten für amerikanische Modetänze und in Berlin beginnt auf dem Höhepunkt der politischen und ökonomischen Krise mit der ersten Funkstunden-Sendung das Zeitalter des Deutschen Rundfunks.
In ihrem neuen Album 1923, das die Pianistin Yaara Tal für Sony Classical aufgenommen hat, unternimmt sie eine ungewöhnliche Zeitreise in dieses Jahr der Extreme. Auf der Grundlage umfangreicher Recherchen hat sie eine sehr persönliche Werkauswahl zusammengestellt, die den Reichtum der damaligen Klaviermusik auf faszinierende Weise erlebbar macht: die Vielfalt der Strömungen, das Nebeneinander unterschiedlicher Stile, aber auch die offensichtlichen oder verborgenen Verbindungen zwischen verschiedenen Werken und ihren Schöpfern.
Zu den besonderen Trouvaillen dieser Einspielung zählen sicherlich die Miniaturen von Joseph Matthias Hauer nach Worten von Hölderlin, die szenische Episoden zum Thema Mensch-Natur im Klang wiedergeben, so wie „Nirvana“ von Ernest Bloch, eine Art moderne Ballade aus dem geistigen Jenseits.
„Die Maschine“ von Fritz Heinrich Klein, eine „extonale Selbstsatire“ ist wohl die humorvollste Komposition auf diesem Album. Hier gesellt sich Andreas Groethuysen zu seiner langjährigen Klavierduo-Partnerin, um eine Welt zu skizzieren, die die Relation zwischen dem Menschlichen und dem Maschinellen darstellt.
Einmalig in ihrer unverkennbaren Musiksprache sind die Fragmente von Leoš Janáček, die Regungen der menschlichen Seele widerspiegeln, sowie die feinen kleinen Tanzfantasien des Alexandre Tansman.
Angeregt wurde Yaara Tal zu diesem Projekt von dem Musikwissenschaftler Tobias Bleek. Er hat im Frühjahr 2023 das Buch „Im Taumel der Zwanziger. 1923: Musik in einem Jahr der Extreme“ (Gemeinschaftsausgabe des Verlags Bärenreiter, Kassel und J.B. Metzler, Berlin) veröffentlicht und das Booklet zu Tals neuem Album verfasst. „Erst während der Recherche nach Kompositionen aus diesem Jahr wurde mir klar und bewusst, wie facettenreich und faszinierend das Repertoire für Klavier aus dieser Zeit ist“, berichtet die Pianistin rückblickend. „Ebenso stellte ich überrascht fest, dass meine persönliche musikalische Biografie eng mit einigen dieser 1923 entstandenen Werken verwoben ist – so spielte ich schon als Kind z.B. Joseph Achrons „Traum“ oder die drei Tanzsätze von Émile Jaques-Dalcroze“.
Die Aufnahme entstand im April 2023 als Koproduktion von BR-KLASSIK und Sony Classical. Sie ist ab 25. August 2023 als CD und digital in Stereo wie auch in Dolby Atmos erhältlich.
SCL

Yaara Tal
„1923“
Sony Classical
CD 19,95 €
(Bildrechte: Gustav Eckart)