
Eigentlich wollte Avishai Cohen im vergangenen Herbst einen Monat freinehmen, nach Israel fahren, um dort die Musik für sein neues Album zu komponieren. Aber dann brachte der 7. Oktober 2023 seine Pläne kamen zum Erliegen.
„Ich konnte nichts schreiben. Ich konnte die Trompete nicht berühren“. Mit seinem Pianisten Yonathan Avishai sprach er darüber, die für Anfang November geplante Tournee und die Aufnahme abzusagen. Der aber sagte: „Nein, wir müssen gehen und Musik machen.“ Und die Art, wie er es sagte, zeigte Avishai Cohen, wie recht er hatte.
Und so entstand das Album „Ashes to Gold“, in dessen Mittelpunkt die gleichnamige dramatische fünfstellige Suite steht. Der Großteil der gleichsam „Ashes To Gold“ genannten Suite wurde in der komprimierten Zeitspanne einer einzigen Woche entworfen, „… in der vollen Verrücktheit der Kriegszeit, mit Raketen, die über meinen Kopf fliegen, Alarmanlagen und Sirenen und so weiter…“. Natürlich habe sich all dies auf die Musik ausgewirkt. Wie könnte es nicht? Die Suite selbst erweist sich als ein Spiegel begleitender Emotionen: hoffnungsvoll, verzweifelt, erzürnt und zutiefst melancholisch.
Im Unterschied zu seiner früheren Arbeitsweise vertraute er bei diesem Album voll und ganz auf den Input von Yonathan Avishai (Klavier), Barak Mori (Kontrabass) und Ziv Ravitz (Schlagzeug): „Ich war mir noch nie so genau darüber im Klaren, was ich auf einem Album hören wollte, wie dieses Mal…“. Jeder Trommelschlag, jede rhythmische Betonung, jedes Crescendo wurde besprochen und definiert. Wie die Noten gespielt, platziert und formuliert werden sollten, genau das, was jeder von uns in jedem Abschnitt tun würde …“
Einen tröstlichen Kontrast zur Komplexität der titelgebenden Suite stellt die Komposition seiner Tochter „The Seventh“ dar. „Es war eine Melodie, wie ich sie nie geschrieben hätte. Ich liebte ihre Melodie und dachte, dass sie nach all der intensiven Musik wirklich auf das Album passen würde.“
Die Brücke zwischen diesen beiden Werken bildet eine Einspielung des eindringlichen „Adagio assai“ aus Maurice Ravels G-Dur-Klavierkonzert. Avishai Cohen bewundert gerade diesen Satz der Komposition seit langem. „Ich habe es in den Covid-Jahren praktisch ununterbrochen gehört, insbesondere die Version von Martha Argerich“.
Der Titel des Albums „Ashes to Gold“ („Aus Asche wird Gold“) geht auf die alte japanische Kunst des Kintsugi zurück, „bei der man das Alte und das Zerbrochene nimmt und versucht, die Teile wieder zusammenzusetzen, um aus den Fragmenten etwas Goldenes und Schönes zu machen.“ Hier sieht Avishai Cohen die Verbindung zu seiner Musik: „Obwohl diese Musik nicht anders kann, als die Zeit widerzuspiegeln, birgt sie – in meiner Wunschvorstellung – auch etwas Hoffnung in sich. Zumindest ist es nicht nur dunkel.“
tzm

Avishai Cohen
„Ashes to Gold“
ECM Records
CD 19,95 €
LP 29,95 €
(Bildrechte: Daniella Feijoo)