Christian Gerhaher || Frage

Christian Gerhaher

Christian Gerhaher || Frage
1 CD
Sony Classical
Erhältlich ab: 16.11.2018
 

Schumanns Gefühlspalette

Seine ersten Lieder schreibt Robert Schumann in den Jahren 1827/28. Danach tritt im Schaffen für dieses Genre eine sehr lange Pause ein – in den 1830er Jahren komponiert Schumann ausschließlich für das Klavier. Erst 12 Jahre später, 1840, wendet er sich wieder dem Lied zu, dann allerdings so stürmisch und umfangreich, daß dieses Jahr auch sein „Liederjahr“ genannt wird. 

Charakteristisch für die jetzt einsetzende Schaffensperiode war, daß Robert Schumann begann, einzelne Lieder zu Zyklen und Liederkreisen zusammenzufassen. Im besagten „Liederjahr“ entstanden so bedeutende wie die „Dichterliebe“ op. 48, die „Myrten“, op.25, die er seiner Frau Clara  Schumann widmete, es entstand der Liederkreis nach Heinrich Heine op. 84, ebenso die „Zwölf Gedichte. Eine Liederreihe nach Justinus Kerner“ op. 35. Die Texte Kerners waren 1834 in einem Band erschienen. Aus ihnen wählte Schumann zwölf Stücke aus und ordnete sie, in der Reihenfolge einem erzählerischen Prinzip folgend, neu. Der Protagonist durchwandert die Natur, romantisch verklärt („Auf das Trinkglas eines verstorbenen Freundes“), übermütig, sinnend („Frage“). Er erlebt sie mit Fernweh („Wanderlied“) und Frühlingssehnsucht („Erstes Grün“).

Schumann durchstreift die gesamte, auch ihm innewohnende Gefühlspalette. Seine Lieder sind eine Einladung, sich zu offenbaren – nicht nur an den Sänger, sondern auch an den Pianisten, dem bei diesen Liedern eine weitaus größere Rolle zukommt, als die eines „Begleiters“ schlechthin.

„Frage“, das neue Album des weltweit gefeierten Liedsängers Christian Gerhaher  ist der Auftakt zu dem „wahrscheinlich wichtigsten Projekt in meinem Leben", wie Gerhaher betont: die Gesamtaufnahme aller Lieder Robert Schumanns. Er selbst hat auch die Konzeption des Projektes dieses so umfangreichen Vorhabens übernommen, nichts weniger als ein hoch emotionaler Ausflug in die lang zurückliegende Welt der Romantik.
Für die erste CD wählte Christian Gerhaher außerdem die „Sechs Gesänge“ op. 107 aus. Sie entstanden in den Jahren 1851/52 -  ein Jahr zuvor war Robert Schumann nach Düsseldorf gegangen, in der Hoffnung auf einen Neuanfang. Die anfängliche Euphorie, berührend erlebbar in seiner dritten, „Rheinischen Sinfonie“  wich bald einer immer stärker werdenden Frustration, nicht zuletzt bedingt durch die einsetzenden schweren gesundheitlichen Probleme.  Ergänzt wird die Auswahl durch die „Romanzen und Balladen“ op. 49, die Mitte Mai 1840 entstanden, die „Drei Gesänge“ op.83  und schließlich die „Vier Gesänge“ op.142 zu Texten von Heinrich Heine, Justinius Kerner und Lilly Bernhard, die er aus dem Zyklus „Dichterliebe“ herausgelöst hatte – über die Gründe dafür wurde viel spekuliert. Einer der genannten ist, daß Schumann vor allem solche Lieder entfernt habe, in denen der Todesgedanke zu deutlich geäußert werde. 
 
Thomas Otto