Simon Rattle und das Symphonieorchester des BR "Die Walküre"

Simon Rattle

"Die Walküre"

BR-Klassik

Die Walküre.

Im April 1848 erwähnt Richard Wagner dem Sänger und Schauspieler Eduard Devrient gegenüber, der zugleich ein Freund Mendelssohns war, erstmals das Vorhaben, sich der Siegfried-Sage anzunehmen. Daran war zunächst nichts Ungewöhnliches, Wagner entsprach damit dem Zeitgeist. Bereits 1840 befaßte sich Mendelssohn damit, kurz darauf Robert Schumann und Nils Wilhelm Gade begann 1846 mit der Vertonung eines Textbuches der Schriftstellerin Luise Otto. Wagner allerdings wurde schnell bewußt, daß das Drama um Siegfrieds Tod herum eine Vorgeschichte braucht. Und so entwickelte sich der Stoff allmählich in seiner Umfänglichkeit und Komplexität. Im Februar 1853 erschien der Erstdruck des Textbuches  „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner, inzwischen angewachsen zu einer Tetralogie über den Niedergang einer Götterwelt. Deren inhaltliche Intentionen indes waren in Wagners Biografie begründet. Im Mai 1849 hatte  er sich an den revolutionären Erhebungen in Dresden beteiligt -  Nachbeben der bürgerlich- demokratischen Revolution von 1848. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und Richard Wagner, steckbrieflich gesucht, flüchtete in die Schweiz, nach Zürich. Die Dresdner Ereignisse sollten direkte Auswirkungen auf die Entstehung der „Ring“-Geschichte haben. Der Dirigent Hartmut Haenchen hat das in aller Kürze und treffend formuliert: „Für Wagner fügte sich das Bild der Welt, in der er lebte, zur Vision eines ungeheuerlichen Mythos zusammen. Die Götter dieser mußten untergehen, um den Menschen zu zeigen, daß ihnen eine neue Welt nur geschenkt würde, wenn sie die alte, die ihrige, die bestehende vernichten würden.“

Insgesamt 26 Jahre, also bis 1871, arbeitete Wagner an dem Zyklus! Seine Vorstellungen von einem neuen Musiktheater waren geradezu revolutionär: das Musikdrama, eine Gattung, in der der Musik eine ganz neue Bedeutung zukommt. Wie stark seine visionäre Kraft war, zeigt nicht nur, daß er die inhaltliche Vorlage seines Mammutprojekts über diesen langen Zeitraum sprichwörtlich „abgearbeitet“ hat -  die ersten beiden Uraufführungen fanden  im Münchner Nationaltheater statt: „Das Rheingold“ am 22.09.1869 und „Die Walküre“ am 26.06.1870. Wagner wollte bei der Wirkung seines Werkes nichts dem Zufall überlassen. Sein Ideal war die Aufführung des ganzen Zyklus als „Bühnenweihfestpiel“ in einem  eigens dafür gebauten Festspielhaus! Und nicht nur, dass Wagner konkrete Vorstellungen davon hatte, wie der „Ring“ aufgeführt werden müsse –auch in der Überzeugung von der Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungen war er vielen seiner Zeitgenossen voraus.

Sir Simon Rattle, fasziniert davon, „...wie hier ein mehr oder weniger autodidaktisch ausgebildeter Komponist die Geschichte des modernen Orchesters völlig neu schreibt...“ setzt mit der "Walküre sein "Ring"-Projekt mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks fort. 2015 bereits stand "Rheingold" auf dem Programm. Und während das „Rheingold“ von Kämpfen, Intrigen, Listen Täuschungen und  gebrochenen Versprechen in der Welt der Götter, der Riesen und der Zwerge erzählt, betritt der Zuschauer in der „Walküre“ ein Haus auf der Erde, vertrauten Lebensraum. Es ist jene Hütte, in der das Wälsungenpaar Siegmund und Sieglinde seine herrliche und zugleich verhängnisvolle Begegnung haben wird, womit die Geschichte von Verfolgung und Liebe, von Befehl und Verweigerung, von Strafe und Verzeihung erst beginnt. Dass Wagner hier menschliche Charaktere beschreibt, erlaubt es dem Zuschauer, der Szene mitfühlend zu folgen.

Für seine „Walküre“ hat Simon Ratte eine Riege erstklassiger Wagnersänger um sich geschart. Stuart Skelton und Eva-Maria Westbroek als inzestuöses Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde, Eric Halvarson, als Hunding, Iréne Theorin als Wotans Lieblingstochter Brünnhilde. James Rutherford singt die Partie des Göttervaters Wotan, Elisabeth Kulman, die seiner streitbaren Gattin Fricka. Großes Musiktheater als qualitativ hochwertiger Mitschnitt.

 

tzm