Im Gespräch mit Eberhard Weber

Eberhard Weber

Ich freu mich auf dein Solo!

Fünf Fragen an den Bassisten Eberhard Weber.

Der unverwechselbare Sound seines Instruments und seine Art, den E-Baß zu spielen wurden über mehr als 30 Jahre hinweg zu einem Markenzeichen bei ECM.  Aufmerksam wurden Manfred Eicher und Jan Garbarek auf Eberhard Weber schon um 1970 herum, als der im Trio mit Wolfgang Dauner im Münchner Zirkus Krone spielte. Kurze Zeit später veröffentlichte Weber sein erstes eigenes Album bei ECM: „The Colours of Chloë“, etliche sollten folgen. Darüber hinaus war er 25 Jahre lang der Bassist Jan Garbareks, bis ein Schlaganfall 2007 seine Bassistenkarriere unvermittelt und abrupt beendete.  Fortan entstanden jedoch weitere ECM-Alben mit Eberhard Weber, der im kommenden Jahr Achtzig wird. Der Musikjournalist Thomas Otto sprach mit ihm über seine Musik und seine Zeit bei ECM.

Es gibt diesen großartigen Satz von Ihnen: „Ich habe nie geübt. Immer nur gespielt" Understatement oder grundsätzliches Musizierverständnis?

Ich hatte das unglaubliche Glück, Talent zu haben. Ich habe tatsächlich nie systematisch geübt. Ich hatte ja auch nie Bassunterricht. Nur bei meinem Vater, einem Musiklehrer, hatte ich Cellounterricht. Von mir wird oft gesagt, ich würde ganz speziell spielen. Das mag damit zusammenhängen, dass ich zwar keine Schultechnik, dafür aber  eine sehr schnelle Reaktionszeit habe. Ein unsauberer Ton von mir war deshalb nicht lange zu hören. Wegen meiner Glissandi sind auch einige ganz kluge Leute darauf gekommen, ich sei von indischer Musik beeinflusst. Dabei lag das an meinem Unvermögen, richtig Bass zu spielen. (lacht)    
 

Wie verlief Ihr Weg zum ECM-Label, bei dem Sie so außerordentlich viele und erfolgreiche Aufnahmen gemacht haben? Was hat gerade dieses Label für Ihre Musik prädestiniert? 

Ich spielte damals mit Wolfgang Dauner zusammen, im Duo und im Trio. Wir hatten im Münchner Zirkus Krone ein Konzert. Jan Garbarek erzählt mir Jahre später, dass er in diesem Konzert zusammen mit Manfred Eicher saß und hinterher zu Eicher gesagt hat: „Der einzige interessante Mann scheint mir der Bassist zu sein. Mit dem solltest du mal was machen.“ Irgendwann rief dann Manfred Eicher bei mir an... 
Ich bin dann 1973 zu ihm ins Studio gegangen, um die Songs für die erste Platte aufzunehmen. Alles hat geklappt, nur der Titelsong„The Colours of Chloë“ nicht – für den hatte ich nur die Harmonien, aber keine Melodie. Also brachen wir die Aufnahmen irgendwann ab und ich musste das Stück erst mal fertigschreiben. Damals wollte ich noch jede Menge technischer Effekte mit dabei haben. Ich habe später mal wieder in die Partitur geschaut, also, da habe ich überhaupt nichts mehr verstanden...  Aber dieses Album (1974) hat dann eingeschlagen wie nichts! 

Sie werden als „Wanderer zwischen den Welten“, zwischen Jazz und Weltmusik bezeichnet. Haben Ihnen solche Zuordnungen je etwas bedeutet? 

Nein, nie. Solche Einteilungen gehen ja auf die 70er, 80er Jahre zurück, als der große „Jazz-Papst“ Joachim-Ernst Berendt  das Sagen hatte. Von ihm kam auch diese Einteilung – ich nenne sie  „Schnapsidee“. Überall auf der Welt gibt es Musik, was ist jetzt „Weltmusik“? Wenn Leute mich fragten: „Was machst du denn für Musik?“, dann konnte ich nur antworten: „Ich spiele, was  ich spielen will. Hör es dir an und sag du es mir hinterher!“  

Sie haben mit den verschiedensten Ensembles gespielt, hatten Ihre eigene Gruppe „Colours“, haben mit Kate Bush gearbeitet, das Allstar-Unternehmen United Jazz and Rock Ensemble mitgegründet. Eine besonders enge künstlerische Beziehung verbindet Sie mit Jan Garbarek. Mit ihm haben Sie 25 Jahre lang zusammengespielt – warum? Seelenverwandtschaft?

Ich bin ja, außer Jan natürlich, der einzige Überlebende der Garbarek-Band.  Ich hab mal durchgezählt, wie viele Veränderungen in der Band es gab. Ich kam auf elf – und ich bin der einzige, dem nie gekündigt wurde...

... Sie haben aber offenbar auch nie gesagt: „Mir reicht’s, such dir einen neuen Bassisten!“ Was ist der Grund dafür, dass man 25 Jahre beieinander bleibt?

Man muss zusammenpassen, darf nicht dauernd besoffen sein, oder stoned...(lacht). Und für Jan war noch ein anderes Kriterium wichtig: Pünktlichkeit. Ich bin auch Pedant, ich kann auch nicht leiden, wenn jemand später kommt.  Aber natürlich waren es vor allem die musikalischen  Gründe. Wir haben im Laufe der Jahre festgestellt, dass wir auf einer recht ähnlichen Linie liegen, was den Geschmack angeht und dass wir uns musikalisch gegenseitig befruchten, voneinander lernen konnten. Jan hat mir mal ein unglaubliches Kompliment gemacht, nachdem wir schon viele Jahre miteinander gespielt hatten: „Ich freu mich jeden Abend auf dein Solo! Da passiert immer was, das ist nie Routine.“