Ein Gespräch mit dem Piano//Duo Gülru Ensari & Herbert Schuch
Von Thomas Otto
Sie spielen vierhändig, entweder an einem oder auch an zwei Instrumenten. Jetzt stellen die Pianisten Herbert Schuch und Gülru Ensari ihr Album »Eternity« vor, welches auf dem Label Naïve erschienen ist. Thomas Otto unterhielt sich mit Gülru Ensari und Herbert Schuch über die Arbeit am gemeinsamen Album, über das Beieinander von Vergänglichkeit und Ewigkeit der Musik und über das vierhändige Spiel.
Frau Ensari, Herr Schuch - „Éternité (Ewigkeit)“ ist der Titel Ihres Albums. Dabei schlagen Sie den musikalischen Bogen von Ludwig van Beethoven über Franz Schubert und Johannes Brahms bis zu Olivier Messiaen. Für mich liegt in dem Titel eine ungeheure Spannung: Einerseits der Wesenszug der Musik, ihre Vergänglichkeit - der Ton wird Vergangenheit in dem Moment, da er verklingt – und andererseits das, was die Musik als Summe all der Töne nach dem Hören bei uns hinterlässt. Ist das der programmatische Ansatz Ihres Albums?
Herbert Schuch: Unsere Grundidee war es, nach Musik zu sehen, die sich durch biografische Umstände an eben dieser Schwelle, diesem Graubereich zwischen Leben und Tod bewegt und musikalisch dann in solche Höhen aufsteigt, die man als Mensch eigentlich gar nicht mehr begreifen kann. Es ist natürlich eine Besonderheit von Musik, dass sie selbst ein Leben hat, einen Anfang und ein Ende. Auf der anderen Seite sind die Noten geduldig und werden hoffentlich auch noch in zweihundert Jahren und mehr gelesen werden, in der Ewigkeit.
Für den Beginn Ihres Albums haben Sie Schuberts Fantasie in f-moll, D.940 ausgewählt. Komponiert hat er diese Fantasie in seinem Todesjahr 1828. Sie ist nicht nur technisch herausfordernd – wer sie hört, begibt sich auf einen emotionalen Parcours: das herrliche melancholische Thema wird durch verschiedenste Situationen gejagt, immer wieder der Wechsel zwischen Aufbrausen, Verzweiflung, Trost. Schubert ist gerade mal 31 Jahre alt geworden. „Lesen“ und besprechen Sie ein Werk unter solchem Aspekt miteinander? Und wirkt sich das auf Ihr Spiel aus?
Gülru Ensari: Wir haben, als wir das Album konzipierten, bewusst nichts vorgeben wollen. Jeder, der dieses Album hört, hat ja einen eigenen Kopf und jedem kann die Musik etwas anderes bedeuten. Ich persönlich möchte, wenn ich über Musik rede, auch wenn es unvermeidbar ist, gar nicht über die Geschichte reden, darüber, was der Komponist gedacht oder gefühlt haben mag, weil ich glaube, dass das einen großen Einfluss auf das Hören ausübt und schon die Richtung der Emotionen vorgibt. Natürlich hat bei der Auswahl der Stücke etwa von Schubert und Beethoven eine Rolle gespielt, dass sie zu ihren letzten Kompositionen gehörten. Deswegen „Eternity“ – weil sie so eine andere Dimension erreichten – gerade bei Beethoven ist das für mich sehr bemerkbar, und dass sie in der Ewigkeit weiterklingen werden, einfach, weil sie so großartig sind.
Zwischen Schuberts f-Moll-Fantasie, den „Schumann-Variationen“ von Brahms und Beethovens „Großer Fuge“ platzieren Sie drei Sätze aus dem siebenteiligen Zyklus „Visions de l’amen“, den Olivier Messiaen 1943 im von den Deutschen besetzten Paris komponierte: zunächst das „Amen du Désir“, dann das „Amen des Anges, des Saints, du chant des oiseaux“ und schließlich das „Amen de la Création“. Nach welchen Kriterien wählten Sie gerade diese drei Sätze für die Aufnahme?
Herbert Schuch: Wir sind zunächst davon ausgegangen, welche der Stücke uns selbst beim Hören und beim Spielen am meisten in Schwingungen versetzt haben und bei denen wir das Gefühl hatten, sie könnten passen.
Das erste „Amen“ in Messiaens Zyklus ist ja das „Amen der Schöpfung“. Es ist eine Frage der Kreativität, auch für uns Musiker: wie entsteht etwas, wie kann man als Musiker etwas erschaffen – das schien uns sehr passend im Zusammenhang mit Beethovens „Großer Fuge“ für den es ja auch eine unfassbar kreative Leistung war, sich ständig neu zu erfinden.
Beim „Amen der Propheten und der Engel“ haben wir eine inhaltliche Übereinstimmung zu den „Schumann-Variationen“ von Brahms gesehen, die sich ja auf Schumanns Thema beziehen, das dieser den Engeln zuschrieb, die ihm im Schlaf erschienen waren. Und beim „Amen desir“ war es der Ablauf dieses Stückes, der uns passend schien, weil er ähnlich bewegt wie in Schuberts f-Moll-Fantasie ist. Außerdem ist das Motiv der Sehnsucht bei Schubert in jeglicher Hinsicht ein ganz zentrales.
Sie spielen vierhändiges Repertoire sowohl an einem als auch an zwei Instrumenten, so wie jetzt auf Ihrem neuen Album. Gibt es bei Ihnen bestimmte Präferenzen, wer den tieferen und wer den höheren Part übernimmt?
Gülru Ensari: Wir wechseln uns schon ab. Wir überlegen von Stück zu Stück, reden darüber. Und natürlich versuchen wir, das so gerecht wie möglich zu machen. Die Werke von Schubert, Brahms und Beethoven auf diesem Album haben wir schon seit vielen Jahren im Repertoire und dabei hat jeder von abwechselnd die obere und untere Stimme gespielt, nur bei Brahms habe ich für diese Aufnahme den oberen Part einstudiert und übernommen.
Bei Messiaen habe ich dann gesagt: ok, ich übernehme das erste Klavier, um dann bei der Aufnahme festzustellen, dass das zweite Klavier viel anspruchsvoller ist (lacht).
Für das vierhändige Spiel, zumal an einem Instrument, ist der vielbeschworene gleiche Atem, das einander blind vertrauen können eine Grundvoraussetzung. Dennoch sitzen ja zwei Persönlichkeiten beieinander, jeder mit seiner eigenen musikalischen Vorstellung, seinem Verständnis von dem jeweiligen Stück, seiner Technik, seiner musikalischen Entwicklung. Wie erarbeiten Sie sich die Positionen, die jeder von Ihnen dann beim Musizieren einnimmt?
Herbert Schuch: Das passiert in der Probenarbeit. Wir haben in den letzten Jahren aber auch festgestellt, dass das viele Diskutieren darüber nicht unbedingt zielführend ist. Wichtiger ist, dass man sich zum Schluss intuitiv auf eine gemeinsame Ebene begibt, um bei einem Konzert auftreten zu können. Ich glaube, dass das Proben heutzutage ein bisschen überbewertet wird.
Gülru Ensari: Ich glaube allerdings, um herauszufinden, was man von der Musik erwartet oder wie man etwas ausdrücken möchte, ist diese stundenlange Probenarbeit schon wichtig. So, wie wir jetzt an die Musik herangehen, wissen wir, was wir zum Beispiel von Schuberts Musik erwarten, wir wissen, wie wir sie hören wollen, wie sie klingen soll. Aber manchmal ist es tatsächlich so, dass man bestimmte Phrasierungen und den erwünschten Klang beim Proben nicht so erreicht, wie unter dem Adrenalinschub in der Konzertatmosphäre. Und auch, wenn wir unterschiedliche Arten haben, sind wir nach den Konzerten eigentlich meistens der gleichen Auffassung darüber, wie wir das Konzert empfunden haben, was gefehlt hat. Wir sind meist mit dem gleichen Ergebnis glücklich.