Igor Levit – „Mendelssohn – Lieder ohne Worte“

Es war eine eigene Form der Klaviermusik, die Felix Mendelssohn Bartholdy mit dem Erscheinen des ersten Heftes der „Lieder ohne Worte“ op. 19b im Jahre 1832 veröffentlichte und die er in seinen Briefen häufig als „Klavierlieder“ bezeichnete. Klavierstücke im Stile von Liedern - der wesentliche Unterschied zum klavierbegleiteten Lied war nicht nur das Fehlen eines Textes. Sie waren ohne programmatischen Inhalt komponiert worden.  
Es ging Mendelssohn nicht um die Imitation einer Liedkomposition. Vielmehr zielte er bei seinen „Liedern ohne Worte“ auf einen lyrischen Ausdruck durch einen rein pianistischen Kompositionsstil ab. Dem Musikkritiker Marc André Souchay, der ihn nach der Bedeutung seiner „Lieder ohne Worte“ gefragt hatte, schrieb Mendelssohn am 15. Oktober 1842: „Fragen Sie mich, was ich mir dabei gedacht habe, so sage ich: gerade das Lied, wie es da steht ...“ Insgesamt komponierte Mendelssohn acht Hefte mit je sechs Liedern, von denen sechs Hefte zu seinen Lebzeiten und zwei weitere posthum veröffentlicht wurden.
Das neue Album Igor Levits – „Lieder ohne Worte“ - hat eine Vorgeschichte: der Pianist veröffentlicht es als seine persönliche künstlerische Reaktion auf die Anschläge vom 7. Oktober 2023 auf Israel und den derzeit weltweit zunehmenden Antisemitismus. „Die ersten vier, fünf Wochen nach dem Anschlag am 7. Oktober habe ich in einer Mischung von Sprachlosigkeit und totaler Paralyse verbracht,“ sagt Igor Levit. „Irgendwann war klar, ich habe keine anderen Instrumente, als als Künstler zu reagieren. Ich habe das Klavier. Ich habe meine Musik.“ Er habe, sagt Igor Levit, viele von Mendelssohns „Liedern ohne Worte“ privat gespielt, nur für sich - eine „gewisse Melancholie“ in diesen Werken habe ihm dabei Trost gespendet. 
Igor Levit traf für das Album eine sehr persönliche Auswahl von Mendelssohns „Liedern ohne Worte“. Ergänzt hat er sie durch das Prélude op. 31: Nr. 8 „La chanson de la folle au bord de la mer“ des französischen Komponisten Charles-Valentin Alkan, einem Zeitgenossen Mendelssohns. Sein sehr auf das Klavier konzentrierte Werk kommt dem Virtuosentum der Romantik nahe, wie es etwa von Chopin oder Liszt repräsentiert wurde. Das „Lied von der Verrückten am Meeresufer“ erzeugt in wenigen Minuten und wenigen Tönen ein tiefes Gefühl der Entfremdung. Igor Levit betrachtet es auch als eine Art „Lied ohne Worte“ und damit als einen intuitiv richtigen Abschluss der Aufnahme.  
Auch das Coverbild des Fotografen Markus Hurek nimmt direkten Bezug auf Igor Levits Motivation für dieses Album – es zeigt eine Halskette, die der Pianist vor einigen Jahren geschenkt bekam, mit einer besonderen Darstellung des Davidsterns.

tzm

Igor Levit 


„Mendelssohn – Lieder ohne Worte“


Sony Classical 


CD 17,95 €

(Bildrechte: Felix Broede)