
Ein besonderer Chorklang für estnische Sprache
Eine zentrale Position auf der neuen BR Klassik-CD mit Werken des estnischen Komponisten Arvo Pärt nimmt das „Miserere“ für Soli, gemischten Chor, Ensemble und Orgel aus dem Jahre 1989 ein. Zwei Jahre später wurde es unter der Leitung von Paul Hillier durch das Hilliard Ensemble uraufgeführt. Hillier dirigierte auch die erste und bis dato einzige CD-Aufnahme des Werkes. Jetzt erscheint bei BR Klassik die Aufführung des „Miserere“ im Rahmen der Salzburger Festspiele 2019 mit Chor und Orchester des BR unter der Leitung von Howard Arman. Der Musikjournalist Thomas Otto befragte Arvo Pärt aus diesem Anlass zu dessen Werk und der aktuellen CD.
Herr Pärt, zwischen beiden Aufnahmen liegen dreißig Jahre. Verändert ein so langer Zeitraum den Blick des Komponisten auf sein Werk?
Mein Kind bleibt für immer meines.
Sie haben damals die Uraufführung begleitet, Sie waren auch bei der Live-Aufnahme im Mozarteum dabei – geben Sie Ihr Werk in solchen Momenten wirklich aus der Hand und legen es in die Hände Dirigenten, oder versuchen Sie, weiter mitzugestalten, möglicherweise noch zu verändern?
Wenn ich die Möglichkeit bekomme, bei den Proben dabei zu sein, dann will ich natürlich auch mitgestalten. Aber als Komponist muss ich selbstverständlich respektieren, dass jeder Interpret seine eigene Handschrift hat. Und damit meine ich nicht nur den Dirigenten, sondern auch den Chor, die Solisten oder das Orchester. Und nicht zu vergessen, die gleiche Verantwortung trägt der Tonmeister einer Aufnahme.
Die Partnerschaft mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks begann 1982 mit der Uraufführung von „Passio. Auch hier spannt sich ein weiter Bogen zwischen der ersten Begegnung und den regelmäßigen Wiederbegegnungen mit dem Ensemble bis hin zu der jetzt vorliegenden Aufnahme. Wie gestaltete sich die künstlerische Zusammenarbeit mit Howard Arman in Vorbereitung auf diese Aufnahme?
Meine Erfahrungen mit Howard Arman konnte ich nur bei den Chorproben machen. Diese waren höchst positiv und basierend auf gegenseitigem Vertrauen. Zu dem Treffen, das wir in München für die Aufnahmen geplant hatten, ist es leider nicht gekommen – das hat Corona verhindert. Wir haben das beide sehr bedauert.
Neben Instrumentals wie „Festina Lente“, einem Stück für Streichorchester und Harfe oder „Sequentia“ für Violine Schlagwerk und Streichorchester enthält die Aufnahme auch vier a–capella-Chorwerke. Deren jüngstes, „Ja ma kuulsin hääle“, wird für den Chor eine besondere Herausforderung gewesen sein.
Hatten Sie beim Komponieren gerade dieses Werkes einen bestimmten Chorklang, eine bestimmte Charakteristik im Sinn?
Bereits beim ersten Vorsingen dieses Stücks (And I heard a voice, auf estnisch gesungen) erkannte ich, dass dieses Stück diesem Chor und diesem Dirigenten meisterhaft liegt. Sie fragen mich nach einem bestimmten Chorklang? Ja, tatsächlich, den hatte ich im Kopf.
Es ist für jeden Chor eine ganz besondere Herausforderung, den richtigen Klang für die estnische Sprache zu finden. Ich hatte ja bewusst eine estnische Übersetzung einer Textstelle aus der Offenbarung des Johannes gewählt. Da gibt es ganz besondere sprachliche Nuancen, die mir sehr wichtig sind. Der Chor des Bayerischen Rundfunks hat diese klanglich ideal umgesetzt.