
Das Album, das keinen einzigen aufgedruckten Schriftzug auf dem blaugetränkten Cover trägt, gibt sein Geheimnis auch beim Herausziehen des Tonträgers nicht komplett preis: Lediglich „No Name“ steht auf dem Label. Der Name Jack White taucht dagegen auf dem Textbeileger stets durchgestrichen auf, als wolle er sich im selbst initiierten Musikgeschehen auflösen.
Diese Idee passt gut zur gründlichen Back-To-Basics-Entscheidung, die Jack White auf seinem neuen Album umgesetzt hat. Komplett abgespeckter, energischer Rock und Bluespunk, der alles wegwischt, was in den vergangenen Jahren an teils überproduzierten und verwinkelten Stil-Manierismen auf Whites Vorgängeralben zu hören war. Nicht, dass diese Alben „schlecht“ gewesen wären; nein, sie polarisierten jedoch mit einer fast hysterisch anmutenden Suche nach einer stets sich neu erfindenden musikalischen Identität, die zunehmend zu zersplittern schien, anstatt neue Ideen und Sounds kohärent in sich zu vereinen. Jack White spickte viele Stilelemente aus anderen jungen Musikströmungen so überbordend in seine Songs ein, dass es nicht wenigen Hörern schwerfiel, ein fertig gestelltes Album kontinuierlich durchzuhören, oder besser gesagt: es zu genießen.
Genau hier geschieht ein Befreiungsschlag. „No Name“ besticht mit einer Folge von dreizehn Songs, die sich von allem Ballast befreit haben, um das ursprüngliche Wesen des Musikers Jack White wieder Gestalt annehmen zu lassen. Packende Gitarrenriffs und Melodien mit Haken und Ösen treiben in sehr kurzweiliger Abfolge die vehementen Blues-, Punk- und Rocksongs voran, wie man es seit den frühen Tagen der White Stripes nicht mehr gehört hat. In den Texten kommen indessen auch drückende Themen der amerikanischen Gegenwart zum Tragen, wie zum Beispiel die immer weiter um sich greifende Armut im wütend herausgeschleuderten „It’s rough on rats (if you’re asking)“. Die meisten Songs wurden angemessen rau in einem reduzierten Setting von Trioformationen eingespielt – Whites Gitarrenspiel und Gesang ertönt ausschließlich in Kombination mit Bass und Schlagzeug – hier und da von sparsamen Einlagen des Organisten Quincy McCreary ergänzt. Einzelne Songs hervorzuheben fällt nicht leicht, da sich ein hohes Qualitätslevel vom ersten bis zum letzten Stück durchzieht. Mehr kann man von einem gelungenen Rockalbum kaum erwarten. „No Name“ wächst mit wiederholtem Hören, die Songs setzen sich in den Gehörgängen fest, und der Gesamteindruck verdichtet sich zu einem Referenzalbum für Fans von Jack White oder Menschen, die es werden wollen. Hat man Neueinsteigern zuvor gerne White Stripes Alben wie „De Stijl“ oder „Elephant“ empfohlen, liefert „No Name“ vergleichbar gelungenen Stoff.
Eine Anspielung auf die frühen White Stripes könnte außerdem im Cover liegen. Gleich auf den ersten Blick erinnerte es an Bilder des berühmten französischen Malers Yves Klein, besonders an sein „Blaues Schwammrelief“. Die abgebildeten porösen Strukturen auf dem Cover von „No Name“ sollen vermutet aus der Vergrößerung einer Fotografie stammen, das den steinernen Bauschutt unter der gigantischen Mount Rushmore Bergskulptur zeigt. Jack White postete ein entsprechendes Foto im April dieses Jahres auf Instagram, sinnierend über das angestaute Geröll unter dem präsidialen Monument. Bereits im Jahr 2000 hatten die White Stripes mit ihrem Mondrian-artig gestalteten „De Stijl“ Plattencover an die gleichnamige niederländische Künstlergruppe erinnert, die ab 1917 die Kunstwelt revolutionierte. Da stünde eine Anspielung an Yves Klein in ähnlicher Tradition. Alle genannten Maler bezogen ihre maximale Wirkung aus der Konzentration auf Reduziertes und Elementares. Auf die Tradition des Rock’n’Roll bezogen, scheinen sie in Jack White einen „Soul Brother“ wiedergefunden zu haben.
thiemo bruell

Jack White
„No Name“
Third Man Records / Sony Music
CD 19,95 €
LP 29,95 €
Limited LP on Clear Blue Marbled Vinyl 34,95 €
Nur noch wenige Exemplare auf Lager,
Abgabe 1 pro Person
(Bildrechte: David James Swanson)