Marc-André Hamelin

“Sonaten & Rondos”

HYPERION / NOTE 1

 

Häufig wird gesagt, dass die wirklich großen Lehrer nicht so sehr diejenigen sind, deren Schüler mehr oder weniger perfekte Kopien ihrer selbst darstellen, sondern vielmehr diejenigen, deren Unterricht jeweils die individuellen Stile der Schüler inspiriert und fördert. Die Söhne von Johann Sebastian Bach waren als direkte Erben einer überragenden Künstlerpersönlichkeit mit einem besonderen Paradoxon konfrontiert.

Ob aus eigenem Antrieb oder aufgrund seines pädagogischen Ansatzes, die vier komponierenden Bach-Söhne wählten eigene ästhetische Wege, die ebenso kühn waren wie der ihres Vaters. Von den vier Söhnen war Carl Philipp Emanuel (1714-1788) wohl derjenige, der in dieser Hinsicht am weitesten ging.

Zunächst im höfischen Dienst bei Friedrich II. wurde er 1768 als Nachfolger Telemanns Städtischer Musikdirektor in Hamburg. Hier platzierte er sich und seine Kunst an der glücklichen Nahtstelle von Philosophen, bildenden Künstlern und Literaten, die die Errungenschaften der deutschen Aufklärung verkörperten. Sein Einfluss auf die Entwicklung der klassischen und romantischen Musik kann gar nicht hoch genug angesiedelt werden. Umso bedauerlicher ist es, dass trotz dieser immensen Bedeutung seine Klaviermusik im Konzertleben heute eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass die Musik wie kaum eine andere ihrer Zeit komplexe stilistische Anforderungen an den Interpreten stellt. Die außergewöhnliche Dramatik und Intensität der Tonsprache, auch als „Empfindsamkeit“ charakterisiert, wird dabei manchmal kaum durch die Eleganz der Aufklärung und den Einfluss des Barocks abgemildert. Ein Fall für Marc-André Hamelin, dessen Einspielung mit einer Auswahl von Klavierwerken in diesem unendlich fesselnden Repertoire neue Maßstäbe setzen wird.

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