Besser natürlich?

Wirkstoff-Minimalismus und Naturkosmetik erleben momentan eine Renaissance. Aber wann und für wen ist Naturkosmetik die richtige Wahl?
 

Bis vor wenigen Jahren gab es ein ungeschriebenes Gesetz: Je mehr komplexe Inhaltsstoffe in einem kosmetischen Produkt stecken, desto kostbarer und effektiver ist es. Jetzt ist „viel hilft viel“ schon länger out. Purismus wird gefeiert – in der Mode, im Interior und eben auch in der Beauty-Industrie. Natürlichkeit ist gefragt, und dementsprechend boomt die Naturkosmetik: Je „einfacher“ – möglichst wenig Wirkstoffe, möglichst wenig Chemie –, desto beliebter das Produkt. Clean, aber auch Botanical Beauty heißen die Trends, die auf reduzierte Inhaltsstoffe und pflanzliche Bestandteile setzen. Aber ist Naturkosmetik wirklich immer besser? Und herkömmliche Kosmetik immer ungesund?
 

DER VERBRAUCHER WIRD ANSPRUCHSVOLLER

Die (konventionelle) Kosmetikindustrie gerät immer mal wieder in die Kritik: Konservierungs- und synthetische Duftstoffe stehen zum Beispiel im Verdacht, Allergien auszulösen. Für Negativ-Schlagzeilen sorgen auch Inhaltsstoffe wie Mikroplastik in Duschgels und Peelings, die nicht biologisch abbaubar sind und die Meere verschmutzen. Immer mehr Konsumenten gehen achtsamer mit der Umwelt um, haben höhere Anforderungen an ihre Kosmetik und fordern von Marken, jetzt verstärkt Verantwortung zu übernehmen. Kleine Brands spezialisieren sich daher auf nachhaltige, zertifizierte Inhaltsstoffe und Produkte mit wenigen, dafür hochwirksamen Ingredienzen. Und auch viele Big Player reagieren und launchen Produkte ohne überflüssige chemische Duftstoffe, Silikone, Parabene, Sulfate und Farbstoffe. 
 

1 / Das Cannabis gibt es in diesem Fall nicht nur ganz legal, es wirkt auch entzündungshemmend und regenerierend bei unreiner Haut: Cannabis Sativa Seed Gesichtsöl von KIEHL’S, 30 ml ab € 46.

2 / Der Anti-Aging Powerwirkstoff Purslane sorgt gemeinsam mit Baumwolldistel-Extrakten über Nacht für eine beruhigte, glatte und frische Gesichtshaut: Night Serum von BARBARA STURM, 30 ml ab € 270.

3 FRAGEN AN ALICIA SCHWEIGER

DIE SERUM-EXPERTIN IST MITGRÜNDERIN UND CEO VON ELIXSERI UND HAT 26 JAHRE ERFAHRUNG IN DER BEAUTY-BRANCHE 

1. WIE ERKLÄREN SIE SICH DEN CLEAN-BEAUTY-TREND?

Immer mehr Verbraucher erkennen ihre Verantwortung für unseren Planeten. Produkte zu nutzen, die nicht viele oder keine giftigen Chemikalien benötigen, ist da ein guter Anfang. Dieser Trend steht im großen Widerspruch zur Philosophie der 80er und 90er Jahre, in der mehr (künstliche) Inhaltsstoffe und mehr Verpackung gleich mehr Luxus bedeuten. Ich denke, wir sind uns jetzt einig, dass dies nicht die Zukunft ist, die wir uns für unsere Erde wünschen.

2. FÜR WEN MACHT EIN UMSTIEG AUF NATURKOSMETIK SINN?

Für alle, die Wert auf die richtige Dosierung hochwertiger Inhaltsstoffe legen. Wirkstoffe synthetischen Ursprungs erzielen oft nur kurzfristige Ergebnisse: Sobald die natürlichen Lipide der Haut durch falsche wie z.B. Silikone ersetzt werden, wird die Haut faul und verlangsamt ihre eigene Lipidproduktion. Der Wert der Silikone ist vorübergehend und vergänglich. Ich glaube deshalb, dass es sich bei minimalistischen Produktformulierungen um die nächste Generation der Hautpflege handelt. 

3. KANN NATURKOSMETIK MIT KONVENTIONELLEN PRODUKTEN MITHALTEN?

Auf jeden Fall. Es ist für die Zukunft allerdings besonders wichtig, dass die Technologie und die Rohstofflieferanten mit den Anforderungen der Verbraucher Schritt halten, indem sie immer mehr innovative Wirkstoffe anbieten.
 

1 / Die Philosophie von Elixseri lautet: Weniger ist mehr. Das Serum mit Swiss Alpine Light Water glättet Fältchen und schenkt einen gesunden Glow: Smooth Player von ELIXSERI, 30 ml ab € 116.

2 / Sepai kombiniert Molekulartechnologien mit der Kraft der Natur, um das Beste aus beiden Welten zu vereinen: Flawless lift von SEPAI, 50 ml ab € 258.

OB NATUR- ODER HERKÖMMLICHE KOSMETIK: DIE EIGENE HAUT ENTSCHEIDET

Aber nicht jedes Hautpflege- oder Makeup-Produkt, das mit Natürlichkeit wirbt, ist automatisch besser als ein herkömmliches Produkt, dessen Inhaltsstoffe im Labor entstehen. Für wen Botanical Beauty besser geeignet ist, kommt vor allem auf den individuellen Hauttyp an. Empfindliche Haut reagiert oft sehr sensibel auf natürliche Inhaltsstoffe – zum Beispiel auf ätherische Öle – und ist auf medizinische Pflege aus dem Labor angewiesen. Bei Hautkrankheiten wie Neurodermitis gilt das umso mehr. Normale bis Mischhaut ist dagegen viel robuster und es kann mehr ausprobiert werden. Nicht alles, was aus dem Labor kommt, ist also direkt ungesund oder schädlich. Konventionelle Kosmetik kann – genau wie Naturkosmetik – für die Bedürfnisse der eigenen Haut funktionieren. Ein Blick 
auf die Inhaltsstoffe lohnt in jedem Fall immer – egal ob bei Clean Beauty, Naturkosmetik oder konventioneller Pflege –, nur so lässt sich letztendlich herausfinden, welche Wirkstoffe drinstecken und ob es diese wirklich braucht. 

1 / Das adaptogene Pflanzenelixier hilft mit Wirkstoffen aus Kaktussamenöl, die Talgproduktion ins Gleichgewicht zu bringen: Midnight Rejuvenation von LE PURE, 50 ml ab € 85.

2 / Peptide regen die Kollagenproduktion an, während Brokkolisamen mit Lipiden die Haut vor Feuchtigkeitsverlust schützen und so für einen straffen Teint sorgen: Super Seed Serum von Votary, 50 ml ab € 100.