Teodor Currentzis || Mahler: Symphonie 6

Currentzis Mahler

Teodor Currentzis || Mahler: Symphonie No 6

1 CD oder 2 Vinyls
Sony Classical
Erhältlich seit: 26.10.2018
 

Tönende Schicksalsschläge 

Merkwürdig, in einer Zeit familiären Glücks und größter Erfolge als Wiener Operndirektor komponiert Gustav Mahler seine als „dunkelste Sinfonie“ geltende Sechste. Er arbeitet wie im Rausch, neben seinen Dirigierverpflichtungen entstehen im Jahr 1903 seine  fünfte Sinfonie und auch schon die beiden ersten Sätze der Sechsten - eben war zum zweiten Mal Vater geworden. Im Sommer 1904 beendet er den 3. und 4. Satz, fast parallel zu den „Kindertotenliedern“ in seinem Komponierhäuschen in Maiernigg,. Dort spielt er sie Alma Mahler am Klavier vor. Sie schreibt über diesen Tag und dieses Erlebnis in ihren Erinnerungen: „Kein Werk ist ihm so unmittelbar aus dem Herzen geflossen wie dieses. Wir weinten damals beide. So tief fühlten wir diese Musik und was sie vorahnend verriet. Die Sechste ist sein allerpersönlichstes Werk und ein prophetisches obendrein. Er hat sowohl mit den ‚Kindertotenliedern’ wie auch mit der Sechsten sein Leben ‚anticipando musiziert’. Auch er bekam drei Schicksalsschläge, der dritte fällte ihn.“ Und Mahler sagt über diese Sinfonie:  "Meine VI. wird Rätsel aufgeben, an die sich nur eine Generation heranwagen darf, die meine ersten fünf in sich aufgenommen und verdaut hat".

Die viersätzige Sechste Sinfonie, deren Instrumentation und Reinschrift Gustav Mahler am 1. Mai 1905 in Wien abschloss, nimmt in der Gruppe der rein instrumentalen Sinfonien eine zentrale Position ein, nicht nur ihres düsteren Charakters, sondern auch ihrer Aufführungsdauer und vor allem der Instrumentierung und der daraus resultierenden großen Besetzung wegen. Allein acht Schlagzeuger und ein Pauker sind nötig, um all die üblichen und unüblichen Schlaginstrumente zu bedienen, die in der Partitur vorgesehen sind: neben diversen Becken, Pauken, großer Trommel und Triangel sind dies die doppelt besetzte Celesta, Kirchenglocken, Herdenglocken und der legendäre Hammer auf dem Holzblock, der im Finale zum Einsatz kommt. Die drei berühmten Hammerschläge, Symbole für „die Schicksalsschläge, die den (imaginären) Helden fällen“ – Mahler entscheidet nach der Uraufführung am 27. Mai 1906 in Essen auf den dritten zu verzichten – die drei Schicksalsschläge sollen ihn dennoch treffen, der erste im Juli 1907, als seine ältere Tochter Maria Anna, deren Tod in den »Kindertotenliedern« auf gespenstische Weise vorweggenommen schien, an einer Diphterieerkrankung starb. Ihr Tod stürzt den Komponisten in eine tiefe Krise. 

Mahler selbst hatte den Untertitel »Tragische« für seine Sechste erfunden und sie unter diesem Namen auch aufgeführt. Aber anders als etwa bei der „Sinfonia Domestica“ von Richard Strauss werden in der „Tragischen“ keine konkreten Vorgänge geschildert. Vielmehr geht es um ein Grundgefühl des Unausweichbaren, des schicksalhaften Ergebens vor der Allmacht der Natur, etwas Übermächtigem, auf das der Mensch keinen Einfluß hat.

So kann diese Sinfonie auch nicht, wie etwa seine Erste oder gar die Achte  verklärend oder triumphierend enden – im fahlen Lichte der Ausweglosigkeit, sich im Nichts auflösend, verlischt das Werk.  

Thomas Otto